Zweite Station der Jubiläumstour in Rahden
Energieexpertin Claudia Kemfert referierte in Rahden vor 150 Zuschauern
Das Bier wird aufgrund des heißen Sommers knapp, zitiert Rainer Rohrbeck, Vorsitzender des KlimaBündnis im Mühlenkreis, aus der Presse. Und ergänzt: Jetzt müsse auch der Letzte überzeugt sein, dass der Klimawandel ein echtes Problem ist. 150 Zuhörer haben sich am Donnerstag auf den Weg in die Aula des Rahdener Gymnasiums gemacht, um sich über die Hürden und Chancen der Energiewende zu informieren. Eingeladen hat das KlimaBündnis im Mühlenkreis, das sein 10-jähriges Jubiläum mit einer Vortragstour durch den Kreis feiert. Der Rahdener Bürgermeister Bert Honsel und die Klimanetzwerkerin Petra Schepsmeier von der Energie-Agentur.NRW, Kooperationspartner der Veranstaltungsreihe, sprachen dem KlimaBündnis im Mühlenkreis ihren Dank für das Engagement in der Region aus. Die Stadt Rahden ist selbst seit vielen Jahren Mitglied in dem Netzwerk aus Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen. 100 Prozent erneuerbare Energie im Mühlenkreis bis 2030 – das ist das gesteckte Ziel des Vereins, dessen Mitglieder tatkräftig daran mitarbeiten. Mehrere Bürgersolaranlagen sind zum Beispiel aus dem Netzwerk hervorgegangen.
Dieses Engagement von unten, sagt auch die Referentin des Abends, Professor Claudia Kemfert, werde ganz entscheidend zum Erfolg der Energiewende beitragen. Die Energieversorgung der Zukunft sei dezentral, flexibel, digital – und beteilige die Bürger direkt. Das mache sie demokratisch und zu einem der größten Friedensfaktoren der Welt. Deutschland habe mit den ersten starken Jahren im Sektor der Solartechnik maßgeblich daran mitgewirkt, dass die Anlagen heute überall auf der Welt erschwinglich und unabhängig von der Strominfrastruktur Energie produzieren. Das helfe vor allem armen Regionen, zum Beispiel in Afrika und Indien.
Kemfert, die als eine der führenden Energieexpertinnen der Republik unter anderem im Sachverständigenrat der Bundesregierung die zukünftige Klimapolitik mitgestaltet, zeigte in ihrem Vortrag die notwendigen Schritte zur Erreichung der Klimaziele auf. Zwei der zentralen Punkte seien der zeitnahe Ausstieg aus der Kohle und die Verkehrswende. Während Deutschland beim Atomausstieg und dem Ausbau der erneuerbaren Energie auf einem guten Weg sei, müsse vor allem bei der Energieeffizienz und der Reduzierung der Treibhausgase mehr passieren. Die CO2-Emissionen gingen dabei in fast allen Bereichen seit Jahren zurück, außer im Verkehrssektor und hier vor allem beim Individualverkehr. Dagegen müssten konkrete Maßnahmen ergriffen werden: Der öffentliche Personennahverkehr müsse ausgebaut werden, unnützer Verkehr vermieden und es müssten Anreize für E-Mobilität geschaffen werden, statt weiter Dieselfahrzeuge zu subventionieren. Autos würden ohnehin nur durchschnittlich eine Stunde am Tag genutzt, seien also mehr Steh- als Fahrzeuge.
Der andere große Knackpunkt, die Kohle, werde derzeit heiß diskutiert. Die Ereignisse im Hambacher Forst hätten die wichtige Debatte neu befeuert. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten 80 Prozent der verfügbaren Kohle im Boden bleiben – und auch die Reserven im Hambacher Forst könnten ungenutzt bleiben, ohne die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gefährden. Das Argument, das wir die Kohle bräuchten, um Blackouts zu vermeiden, sei schlicht falsch, erklärte Kemfert. Schon jetzt würden genug Überkapazitäten produziert, um die ältesten Kohlekraftwerke sofort abschalten zu können. In einem zweiten Schritt sollten die verbleibenden moderneren Kraftwerke nach und nach gedrosselt und 2040 komplett vom Netz genommen werden. Kohle sei schon heute nur aufgrund der Subventionen noch gegenüber den erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig.
Jetzt müssten die Weichen für eine zukunftsfähige Energiepolitik gestellt werden, indem erneuerbare wieder stärker gefördert und fossile Energien stärker belastet würden. „Es ist an der Zeit, alte Zöpfe abzuschneiden“, stellte die Energieexpertin klar. Denn nur so könnten die positiven Effekte der Energiewende ausgeschöpft werden. Neue Arbeitsplätze, Wettbewerbsvorteile, regionale Wertschöpfung, die Stärkung von Demokratie und Teilhabe, Innovation und die Unabhängigkeit von Energieimporten seien nur einige der zahlreichen Vorteile.
Am Ende des Vortrags gratulierte die Referentin dem KlimaBündnis zum 10-jährigen Jubiläum und kündigte an, nach Rahden zurückzukehren, wenn das gesteckte Ziel für 2030 erreicht werde. In der anschließenden Diskussion standen die oftmals fehlende Unterstützung durch die Politik und die konkreten Chancen für die Region und Minden-Lübbecke im Fokus. Claudia Kemfert machte den Anwesenden Mut: Die Stärke der Bewegung läge in den Lösungen vor Ort und in der Vernetzung von Engagierten, die sich in Vereinen und Genossenschaften zusammenschlössen. Gerade in regionalen Projekten, sei es im Verkehrssektor oder in der sinnvollen Kombination von Anlagen, lägen großen Potenziale, die es zu heben gelte.
Die Jubiläumstour des KlimaBündnis in Kooperation mit der EnergieAgentur.NRW geht weiter: Am 5. November besucht Diplom-Meteorologe Sven Plöger Bad Oeynhausen. In der Wandelhalle spricht er über „Klimawandel: Gute Aussichten für morgen?“. Die Veranstaltung beginnt um 19:30 Uhr. Der Eintritt ist frei.
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